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© 1991-2015 C. Kochinke, Rechtsanwalt u. Attorney at Law, Washington, DC, USA
Haftungsbefreiung von Organmitgliedern
der Corporation in den USA


von Marc Sippel *
Erstveröffentlichung: 1. Oktober 2015


Die wirtschaftlich bedeutendste amerikanische Gesellschaftsform ist nach wie vor die Corporation. Bei jeder Gründung einer solchen Kapitalgesellschaft stellt sich auch die Frage nach den persönlichen Haftungsrisiken für die Mitglieder der leitenden Organe der Gesell­schaft, die Directors und Officers. Die Gefahr, für Pflicht­verlet­zungen gegenüber Gesellschaft, Gesellschaftern oder Dritten persönlich haften zu müssen, kann jedoch relativ gering gehalten werden, indem bereits in den Gründungsstatuten (Articles of Incorporation und By-laws) eine Haftungsbefreiung für die Directors und Officers festgelegt wird.

A. Rechtsgrundlagen

Die Rechtslage ist dabei im Detail von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich und teils durch Gesetz, teils aber auch nur durch Case Law geregelt. Die Möglichkeiten der Haftungsbefreiung sollen hier am Beispiel zweier Rechtsordnungen der USA erläutert werden, der des Bundesstaats Kalifornien im Westen und der des Hauptstadtbezirks District of Columbia im Osten. Die maßgeblichen Bestimmungen finden sich im einen Fall im California Corporations Code, im anderen Fall in Title 29 des District of Columbia Official Code (auch Business Organizations Code genannt).

Zu unterscheiden ist jeweils zwischen einem Haftungsausschluss, der eine Haftung gar nicht erst entstehen lässt, und einer Haftungsfrei­stellung, durch die das Organmitglied nachträglich schadlos gehalten wird.

B. Haftungsausschluss/-beschränkung

Der Ausschluss oder die Beschränkung der persönlichen Haftung kann nur im Innenverhältnis für die Verletzung von Pflichten gegen­über der Gesellschaft und den Gesellschaftern erfolgen.

In Kalifornien bestimmt sich dies nach Cal. Corp. Code Sec. 204 (a)(10). Will man einen möglichst weitgehenden Haftungsausschluss erreichen, so genügt es, in den Statuten der Corporation eine Klausel folgenden Inhalts aufzunehmen: "The liability of the Directors of the corporation for monetary damages shall be eliminated to the fullest extent permissible under California law". Ein solcher pauschaler Aus­schluss mit Verweis auf das Gesetz ist - anders als in Deutschland - in Kalifornien ausdrücklich zulässig, siehe Cal. Corp. Code Sec. 204.5 (a). Haftungsausschluss bzw. -beschränkung nach den genannten Vorschriften sind allerdings nur für Directors, nicht für Officers mög­lich, vgl. Cal. Corp. Code Sec. 204 (a)(10)(C). Bei einem Director, der zugleich Officer ist, erstreckt sich dessen Haftungsausschluss nicht auf seine Handlungen als Officer.

Im District of Columbia können Haftungsausschluss oder -beschrän­kung zugunsten der Directors (nicht der Officers) ebenfalls in den Articles of Incorporation geregelt werden, D.C. Code § 29-302.02 (b)(4). Dass auch hier ein pauschaler Ausschluss genügt, lässt sich D.C. Code § 29-306.58 (a) entnehmen.

C. Haftungsfreistellung

Daneben besteht die Möglichkeit der Haftungsfreistellung (Indem­nification) sowohl von Directors als auch Officers.

Diese ist in Kalifornien bereits ohne eine entsprechende Regelung in den Statuten unter den Voraussetzungen von Cal. Corp. Code Sec. 317 (b) zulässig. Danach kann ein Organmitglied von der Gesellschaft durch entsprechenden Beschluss (Einzelheiten: Cal. Corp. Code Sec. 317 (e)) hinsichtlich Ansprüchen von Dritten (und damit in Zusammen­hang stehenden Ausgaben, vor allem Rechtsverteidi­gungs­kosten) schadlos gehalten werden, wenn es in gutem Glauben und nach eigener Überzeugung im besten Interesse der Gesellschaft gehandelt hat (Einzelheiten: Cal. Corp. Code Sec. 317 (b)). Hinsichtlich An­sprüchen der Gesellschaft gegen das Organmitglied, die durch diese oder für diese ("actio pro socio") im Klagewege geltend gemacht werden, ist zumindest eine Erstattung der Verteidi­gungskosten in Fällen von gutgläubigem Handeln möglich, vgl. Cal. Corp. Code Sec. 317 (c).

Eine vergleichbare Ermächtigung zur Schadloshaltung findet sich für den District of Columbia in D.C. Code § 29-306.51 (a)(1) mit nahezu identischen Beschlussvoraussetzungen in D.C. Code § 29-306.55. Auch hier ist eine Haftungsfreistellung mit Ausnahme der Rechts­ver­tei­digungs­kosten nicht zulässig, wenn es um Klagen der Gesellschaft bzw. für die Gesellschaft geht, vgl. D.C. Code § 29-306.51 (d)(1).

Darüber hinausgehend können weitergehende Rechte und Pflichten zur Haftungsfreistellung in den Statuten der Gesellschaft eingeräumt werden, vgl. für Kalifornien Cal. Corp. Code Sec. 317 (g). Vergleich­bar zum Haftungsausschluss empfiehlt sich für eine möglichst weit­gehende Haftungsfreistellung eine Klausel folgenden Inhalts (siehe Cal. Corp. Code Sec. 317 (g)): "The Directors and Officers of the corporation shall be indemnified by the corporation to the fullest extent not prohibited by the California Corporations Code".

Auch in D.C. kann eine weitergehende Schadloshaltung der Organ­mitglieder erfolgen, wenn diese Möglichkeit (oder auch Pflicht) in den Articles of Incorporation vorgesehen ist, vgl. D.C. Code § 29-306.51 (a)(2) i.V.m. § 29-302.02 (b)(5) sowie D.C. Code § 29-306.58 (a). All diese zunächst nur für Directors bestimmten Freistellungsmög­lich­keiten gelten gem. D.C. Code § 29-306.56 (a)(1) auch für Officers.

Kann das Organmitglied ein Verfahren gegen sich erfolgreich abweh­ren, besteht sogar eine gesetzliche Pflicht der Corporation zur Frei­stellung von den damit verbundenen (Rechtsverteidigungs-) Kosten. In Kalifornien ergibt sich dies aus Cal. Corp. Code Sec. 317 (d), im District of Columbia aus D.C. Code § 29-306.52, wobei die Vorschrift für Officers gem. D.C. Code § 29-306.56 (c) gilt. Im Unterschied zu Kalifornien kann in D.C. die gesetzlich vorgesehene Pflicht zur Kosten­erstattung allerdings in den Articles of Incorporation ausge­schlossen werden, vgl. D.C. Code § 29-306.58 (c).

Statt durch Beschluss der Gesellschaft kann über die Haftungs­frei­stellung auf Antrag auch durch das Gericht entschieden werden, vgl. Cal. Corp. Code Sec. 317 (e)(4) bzw. D.C. Code § 29-306.54.

D. Grenzen der Haftungsbefreiung

Zu beachten ist jedoch, dass eine vollständige Haftungsbefreiung der Directors und Officers weder durch Haftungsausschluss noch durch -freistellung zu erreichen ist.

Soweit es um die Verletzung von Pflichten gegenüber Gesellschaft und Gesellschaftern geht, sind Haftungsausschluss und -freistellung nach kalifornischem Recht in folgenden Fällen nicht möglich (siehe Cal. Corp. Code Sec. 204 (a)(10), (11)):

- Vorsätzliches Fehlverhalten oder wissentliche und schuldhafte Rechtsverletzungen,

- Handlungen, die entgegen dem Interesse der Gesellschaft oder ihrer Anteilseigner bzw. bösgläubig vorgenommen werden,

- Geschäfte, durch die der Handelnde unangemessene persönliche Vorteile erlangt hat,

- Handlungen, die eine leichtfertige Missachtung der Pflichten gegenüber der Gesellschaft oder ihren Anteilseignern darstellen, wenn der Handelnde das Risiko eines schweren Schadens erkannt hat bzw. hätte erkennen müssen,

- Handlungen, die eine wiederholte, nicht gerechtfertigte Unacht­samkeit darstellen, welche in der Summe einer Nichtwahr­nehmung der Pflichten gegenüber der Gesellschaft oder ihren Anteilseignern gleichkommt,

- bestimmte Geschäfte zwischen Gesellschaft und Handelndem gem. Cal. Corp. Code Sec. 310, an denen der Handelnde ein wesentliches finanzielles Eigeninteresse hat,

- bestimmte nicht autorisierte Ausschüttungen, Kredit- und Garantie­vergaben gem. Cal. Corp. Code Sec. 316 und

- Handlungen, die zeitlich vor dem Inkrafttreten der haftungs­befreienden Bestimmungen vorgenommen wurden.

Soweit es um die Freistellung von Ansprüchen Dritter geht, die keine Pflichtverletzung gegenüber Gesellschaft oder Gesellschaftern beinhalten, bestehen keine derartigen Einschränkungen.

Auch in D.C. gibt es Ausnahmen von der Haftungsbefreiung, die allerdings wesentlich knapper geregelt sind, dafür aber die Haftung gegenüber jedermann (Gesellschaft, Gesellschaftern, wie auch Dritten) betreffen (siehe D.C. Code § 29-302.02 (b)(4), (5)):

- Empfang von finanziellen Vorteilen, zu denen das Organmitglied nicht berechtigt ist

- Vorsätzliche Schadenszufügung gegenüber Gesellschaft oder Gesellschaftern

- Verstöße gegen D.C. Code § 29-306.32 (unzulässige Ausschüttungen an Gesellschafter)

- Vorsätzliche Verstöße gegen Strafvorschriften

Für die Haftungsfreistellung von Officers gelten diese Einschrän­kungen über den Verweis in D.C. Code § 29-306.56 (a)(1). Sehen die Statuten der Gesellschaft ausnahmsweise eine Haftungsfreistellung der Officers vor, die über diejenige der Directors hinausgeht, so gelten die eben aufgeführten Ausnahmen dennoch über D.C. Code § 29-306.56 (a)(2). Ist ein Officer zugleich Director, so gilt die etwaige umfangreichere Haftungsfreistellung für ihn, soweit dessen Handlungen als Officer betroffen sind, D.C. Code § 29-306.56 (b).

Hintergrund dieser Ausnahmen ist allgemein, die Directors und Offi­cers durch das verbleibende Haftungsrisiko anzuhalten, die Geschäfte der Gesellschaft mit Sorgfalt zu führen. Sowohl die Gesellschaft als auch Dritte und Investoren sollen hierdurch geschützt werden.

E. Fazit

Die gesetzlichen Regelungen zur Haftungsbefreiung in Kalifornien und im District of Columbia weisen eine völlig unterschiedliche Systematik auf, führen jedoch zu sehr ähnlichen Ergebnissen.

Trotz der gezeigten Einschränkungen kann das Haftungsrisiko der Organmitglieder relativ gering gehalten werden. Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn keine externen Gesellschafter beteiligt sind und die Directors und Officers nicht Dritte schädigen.

Zudem können die Pflichten der Organmitglieder durch entspre­chen­de Bestimmungen in den By-laws möglichst gering gehal­ten und auf das gesetzliche Mindestmaß beschränkt werden.

Weiterhin kann durch den Abschluss einer D&O-Versicherung das verbleibende Haftungsrisiko für die Organmitglieder - in den Grenzen der Versicherungsbedingungen - abgedeckt werden, vgl. Cal. Corp. Code Sec. 317 (i) bzw. D.C. Code § 29-306.57.


* Marc Sippel ist Rechtsreferendar im Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg. Zuvor hat er Rechtswissenschaften mit wirtschafts­wissen­schaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Bayreuth studiert. Dieser Bericht entstand während seines Aufenthalts in Washington, D.C., wo er bei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP unter der Leitung des deutsch-amerikanischen Rechtsanwalts Clemens Kochinke, Attorney at Law, die dreimonatige Wahlstation seines Rechtsreferendariats absolvierte.