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Lindows.com bekommt Unterstützung:
Haftpflichtversicherer muss dem Linux-Anbieter
im Prozess gegen Microsoft beitreten
von Rechtsreferendar Jens Nebel *
Die Aussicht, in einen teuren und langwierigen Prozess gegen den Software-Giganten Microsoft verwickelt zu werden, schreckt offenbar auch Haftpflichtversicherer ab: Das amerikanische Versicherungsunternehmen St. Paul’s Fire and Marine Insurance Company lehnte es unlängst ab, dem Linux-Anbieter Lindows.com in einem Verfahren gegen das Redmonter Unternehmen beizutreten. In einer Entscheidung im beschleunigten Verfahren entschied jetzt ein Bezirksgericht in Kalifornien , dass St. Paul’s verpflichtet ist, Lindows Versicherungsschutz zu gewähren (United States District Court - Central District of California, Case No. CV 02-01-01064-RMT, Entscheidung v. 26.03.2003).
Microsoft nimmt Lindows wegen angeblicher Verletzung von Exklusivitätsrechten am Markennamen "Windows" in Anspruch, der Jury-Verhandlungstermin hierfür ist für Dezember 2003 angesetzt. Nachdem Microsoft die Klage eingereicht hatte, wandte sich Lindows an seinen Versicherer mit der Aufforderung, der Verteidigung beizutreten. St. Paul’s lehnte dies unter Hinweis auf zwei Klauseln des Versicherungsvertrages ab, nach denen die Deckungspflicht ausgeschlossen ist, wenn entweder der Versicherungsfall auf bereits vor Vertragsschluss veröffentlichtem Material beruht (sog. "prior act exclusion"), oder wenn der Versicherte das Versicherungsereignis bereits bei Abschluss des Versicherungsvertrages kennt (sog. "known loss rule").
Im vorliegenden Fall umfasste die Versicherungspolice die Haftpflicht für sog. "advertising injury", unter die die Versicherungsbedingungen diverse Persönlichkeitsrechtsverletzungen fassten. Diese Fallgruppen enthielten unterschiedliche Verletzungstatbestände, die sich teilweise auf die Zugänglichmachung von mündlichem oder schriftlichem Material, teilweise auf andere Verletzungshandlungen, z.B. Copyrightverletzungen, bezogen. Vom Versicherungsschutz ausgenommen waren nach den Versicherungsbedingungen Verletzungen, die aus der Zugänglichmachung von mündlichem oder schriftlichem Material vor Beginn des Versicherungsverhältnisses resultierten (prior act exclusion).
Das Bezirksgericht erkannte die Berufung auf die prior act exclusion im vorliegenden Fall nicht an, weil sie nach Ansicht des Gerichts mehrdeutig war. Die Auslegung derartiger Klauseln ist in der kalifornischen Rechtsprechung umstritten. Ob unter den Begriff der "Veröffentlichung von mündlichem oder schriftlichem Material" auch Copyrightverletzungen fallen können, wird unterschiedlich beurteilt. Das Gericht sah sich im vorliegenden Fall daher nicht imstande, dem Ausschlusstatbestand verlässlich zu entnehmen, ob er auch Copyrightverletzungen erfasst. Das Risiko der Unwirksamkeit einer mehrdeutigen Klausel hat nach Auffassung des Bezirksgerichts der Versicherer im Interesse des Kunden zu tragen.
Ein im kalifornischen Versicherungsrecht ebenfalls anerkannter Ausschluss des Versicherungsschutzes liegt dann vor, wenn der Versicherte den Versicherungsvertrag in Kenntnis des Schadensereignisses abschliesst (known loss rule). Das Gericht hatte im vorliegenden Fall zu entscheiden, ob es sich bei dem im Raum stehenden Prozess von Microsoft gegen Lindows bereits um ein Schadensereignis oder lediglich um ein Risiko eines solchen handelt. Maßgebliches Abgrenzungskriterium hierfür ist die Frage, ob die Haftung mit Sicherheit besteht. Die bloße Aussicht oder Wahrscheinlichkeit, in einem Prozess in Anspruch genommen zu werden, begründet demnach selbst dann noch kein Schadensereignis, wenn es als sicher erscheint, dass es zum Rechtsstreit kommen wird. Denn diese Tatsache erlaubt immer noch keine Aussage darüber, ob eine Haftung tatsächlich besteht oder nicht. Demzufolge ließ das Gericht eine Berufung auf die known loss rule nicht zu, weil es keineswegs klar sei, ob die von Microsoft gegenüber Lindows geltendgemachten Ansprüche tatsächlich bestünden.
Begrüsst haben dürften dagegen Versicherer wie St. Paul’s eine jüngst ergangene Entscheidung des Obersten Bundesgerichts der Vereinigten Staaten. Der Supreme Court setzte in einem Fall, in dem ein Versicherungsunternehmen ebenfalls unberechtigterweise den Versicherungsschutz verweigert hatte, dem Strafschadensersatzanspruch (sog. "punitive damages") des Kunden erstmals eine relative Beschränkung. Im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung entschied es, dass in der Praxis punitive damages selten mehr als einen einstelligen Multiplikator des tatsächlichen Schadens darstellen dürften, um noch verfassungskonform zu sein.
* Jens Nebel studierte von 1996 bis 2001 Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2001 ist er Rechtsreferendar am Landgericht Essen und wird voraussichtlich im September 2003 die Zweite Juristische Staatsprüfung ablegen. Derzeit verbringt er die Wahlstation in der Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe, L.L.P. in Washington, D.C., U.S.A.
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