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Normenhierarchie im US-Recht

Von Lothar Lieske *
Veröffentlicht am 1. Juni 2007


Im Rechtsstreit Jakob B v. County of Shasta et al., Az. S142496, wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Verletzung des Datenschutzes, hat das oberste Gericht von Kalifornien die Klage am 5. April 2007 abgewiesen und dem litigation privilege den Vorrang gegenüber dem durch die kalifornische Verfassung garantierten privaten Datenschutzrecht eingeräumt.

Das Gericht entschied dabei über die Reichweite des litigation privilege. Dieses ergibt sich aus dem civil code und bestimmt, dass im Prozess getätigte Aussagen und Inhalte von im Prozess verwendeten Dokumenten nicht Gegenstand einer Schadensersatzklage sein können. Das Gericht macht in seiner Entscheidung deutlich, dass im amerikanischen Recht keine strikte Normenhierarchie herrscht. Bei Einführung einer Verfassungsnorm bereits bestehende Gesetze können den Geltungsbereich der Verfassung begrenzen.

Der Kläger machte einen Schadensersatzanspruch gegen eine im Vorprozess nicht beteiligte Partei geltend, die private Daten aus einem nichtöffentlichen Register der anderen Prozesspartei herausgegeben hatte und welche diese in den Prozess eingeführt hatte. Die Ausgangsinstanz gab dem Kläger recht. Das Berufungsgericht wies die Klage ab.

Der Supreme Court of California bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichtes. Es entschied, das im civil code Sec. 47, subdivision b, garantierte litigation privilege begrenze die Durchsetzung des verfassungsrechtlich garantierten privaten Datenschutzrechtes. Selbst für den Fall, dass die im Rahmen eines Rechtsstreites erfolgte Veröffentlichung von Informationen gegen die Datenschutzbestimmungen der kalifornischen Verfassung verstoße, sei eine Schadensersatzklage auf der Grundlage dieses Verstoßes ausgeschlossen.

Da das litigation privilege bereits vor der Aufnahme des Rechts auf den privaten Datenschutz in die kalifornische Verfassung bestand, legte der Supreme Court of California das kalifornische Verfassungsrecht anhand dieser bereits bestehenden und anerkannten Rechtsprinzipien aus. Er räumte zwar ein, dass grundsätzlich einfachgesetzliches Recht dem Verfassungsrecht zu weichen habe, dies gelte jedoch nicht, soweit die beiden Normen auch nebeneinander existieren könnten. Der Gesetzgeber habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, den Anwendungsbereich des litigation privilege zu verringern, sondern wollte ein Datenschutzrecht von vornherein nur etablieren, soweit es nicht mit dem litigation privilege in Konflikt gerate.

Für den Fall, dass verfassungsrechtliche und nichtverfassungsrechtliche Normen konkurrieren, müsse grundsätzlich eine Abwägung vorgenommen werden, bei der die Summe nichtverfassungsrechtlich geschützter Interessen ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut überragen könnten. Die eigentliche Abwägung zwischen dem Schutz privater Daten und dem ordnungsgemäßen Funktionieren der Rechtspflege hielt das Gericht im vorliegenden Fall bereits vom Gesetzgeber zu Gunsten des Schutzes der Rechtspflege für erfolgt.

Das ordnungsgemäße Funktionieren der Rechtspflege wurde dabei nicht ausdrücklich als Abwägungsfaktor benannt. Der Supreme Court beließ es bei dem Hinweis, dass es aus Gründen der Wahrheitsfindung den Prozessparteien nicht zumutbar sei, sich durch ihr Prozessverhalten möglichen Schadensersatzansprüchen auszusetzen.

In der Annahme, dass es für eine schnelle prozessuale Wahrheitsfindung dieser Regelung bedürfe, zeigt sich die Konsequenz dieser Rechtsprechung darin, dass selbst gegen eine Falschaussage im Prozess und einem dadurch begangenen Prozessbetrug kein Rechtsmittel zur Durchsetzung eines Schadensersatzanspruches zur Verfügung steht. Ob diese Auffassung der Wahrheitsfindung im Prozess tatsächlich förderlich ist, muss hier offen bleiben.


*   Lothar Lieske studierte Rechtswissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo er gleichzeitig den Zertifikatsstudiengang "Anglo American and International Legal Studies" abschloss. Er absolvierte seinen Referendardienst im Landgerichtsbezirk Erfurt. Derzeit arbeitet er als wissenschftliche Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. H. Alwart für Strafrecht und Strafpozessrecht an der Friedrich-Schiller-Universität. In Kürze wird er den Aufbaustudiengang "Privates und Öffentliches Wirtschaftsrecht" ebenfalls an der Friedrich-Schiller-Universität mit dem LL.M. oec. abschließen. Die Interessenschwerpunkte seiner juristischen Arbeit liegen in den Bereichen des Wirtschaftsstrafrechts und Compliance. Für diesen Bericht recherchierte er im Rahmen seines Washingtoner Postgraduate-Praktikums in der Washingtoner Wirtschaftskanzlei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP.


Zitierweise / Cite as: Lieske, Normenhierarchie im US-Recht, 16 German American Law Journal (1. Juni 2007), http://www.amrecht.com/lieske2007normenhierarchie.shtml


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