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Americans with Disabilities ActAktuelle Probleme zur Auslegung des Americans with Disabilities Act (ADA) Von Claudius Taubert * Der Americans with Disabilities Act (ADA), Par. 12101 ff., United States Codes Annotated (U.S.C.A.), Band 42, ist ein Gesetz zur Durchsetzung der Chancengleichheit Behinderter. Titel I enthält arbeitsrechtliche Bestimmungen gegen die Diskriminierung behinderterter Arbeitnehmer (vgl. Par. 12111 ff., U.S.C.A., Bd. 42). Zwei Probleme zur Auslegung des ADA sind zur Zeit in den USA aktuell. Einerseits kommt der Frage entscheidende Bedeutung zu, wer den Status eines qualifizierten behinderten Arbeitnehmers ("qualified disabled worker") im Sinne des (i.S.d.) ADA (vgl. Par. 12111 (8), U.S.C.A., Bd. 42) beanspruchen kann und deshalb dem Schutz des ADA gegen Diskrminierung unterfällt. Andererseits ist die Reichweite der Pflicht des Arbeitgebers, den behinderten Arbeinehmer wirksam in den Betrieb einzugliedern ("reasonable accomodation") problematisch. Par. 12111 (9) U.S.C.A., Bd. 42, enthält diesbezüglich lediglich einige Anhaltspunkte (u.a. existierende Einrichtungen im Betrieb für behinderte Arbeitnehmer nutzbar und erreichbar zu machen, Ermöglichung von Teilzeitarbeit, Durchführung spezieller Einweisungen und Übungsmassnahmen, etc.), jedoch keine abschliessende Regelung. Allgemeine Richtlinien zur Auslegung des ADA werden von der U.S. Equal Employment Opportunity Comission (EEOC), einer Regierungsbehörde, die sich für die Verwirklichung der Chancengleichheit von Arbeitnehmern einsetzen soll, herausgegeben. Darüber hinaus sind aber auch zahlreiche Gerichtsentscheidungen bezüglich der Auslegung des ADA ergangen, die den Richtlinien des EEOC aber zum Teil widersprechen. Daher gewinnt die Problematik der Verbindlichkeit dieser Richtlinien an Bedeutung. In zwei Entscheidungen im Juni dieses Jahres hatte sich der Supreme Court (das Oberste Bundesgericht in Washington, DC) im arbeitsrechtlichen Kontext mit Fragen der Interpretation des ADA zu befassen. Im Fall Sutton v. United Airlines, Inc. hatte der Supreme Court über die Rechtmässigkeit der vorinstanzlichen Abweisung der Klage zweier Bewerberinnen um die Einstellung bei United Airlines zu entscheiden. Die Klägerinnen litten an einer Sehschwäche, die jedoch durch entsprechende Hilfsmittel (Kontaktlinsen) ausgeglichen werden konnte. Dennoch wurden ihre Bewerbungen von United Airlines aufgrund der, wenn auch vollständig korrigierten, Sehschwäche zurückgewiesen. Mit der Klage machten die Bewerberinnen eine Diskriminierung i.S.d. Par. 12112, U.S.C.A., Bd. 42, geltend. Somit war für den Erfolg der Klage und die Revision beim Supreme Court entscheidend, ob die Klägerinnen trotz der Normalisierung ihres Zustands durch die technischen Hilfsmittel als behindert i.S.d. ADA gelten. Diese Frage hat der Supreme Court aufgrund des Wortlauts, der Systematik und des Zwecks des Gesetzes verneint. Der Wortlaut des Par. 12102 (2), U.S.C.A., Bd. 42, der den Begriff der Behinderung i.S.d. ADA definiert, ist im Indikativ formuliert und gehe damit von einer gegenwärtigen und tatsächlichen nicht unerheblichen Beeinträchtigung in einer wichtigen Lebensbetätigung aus. Desweiteren sei nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes die individuelle Situation des einzelnen Betroffenen zu berücksichtigen. Würde man aber eine hypothetische Beeinträchtigung ohne Hilfsmittel für massgeblich erklären, müsste man in der Mehrzahl der Fälle gerade umgekehrt auf allgemeine Gruppenmerkmale zurückgreifen. Schliesslich besagt das Gesetz in Par. 12102, U.S.C.A., Bd. 42, der US-Kongress habe festgestellt, dass in Amerika derzeit ca. 43 Millionen Menschen eine Behinderung i.S.d. ADA aufweisen. Die Zahl der Amerikaner, deren Zustand ohne Rücksicht auf Korrekturmassnahmen eine Behinderung i.S.d. ADA darstellen würde, beläuft sich jedoch nach Angaben des Supreme Court auf ca. 160 Mio. Folglich könne der Gesetzgeber kaum gewollt haben, dass auch die Personen, deren Behinderung durch technische oder medizinische Hilfsmittel (nahezu) vollstündig korrigiert werden kann, dem ADA unterfallen. Dies ergebe sich im übrigen auch aus dem Zweck des Gesetzes, die Diskriminierung einer Minderheit zu verhindern. Die Klage wurde daher abgewiesen. Obwohl das Supreme Court sich mit dieser Entscheidung explizit über eine Richtlinie der EEOC gegenteiligen Inhalts hinweggesetzt hat (ebenso in der Parallelentscheidung Murphy v. United Parcel Service), wurde die Verbindlichkeit der Richtlinien der EEOC im allgemeinen letztendlich offengelassen. Die EEOC sei jedenfalls nicht dazu ermächtigt, die Regelungen des allgemeinen Teils des ADA verbindlich auszulegen, insbesondere der Begriff "Behinderung" sei einer Definition durch das EEOC nicht zugänglich. Etwas anderes könnte sich jedoch in Bezug auf die arbeitsrechtlichen Vorschriften unter Titel I des ADA ergeben, da die EEOC in Par. 12116, U.S.C.A., Bd. 42, ausdrülich zur Herausgabe gesetzesausführender Richtlinien zu Titel I ermächtigt wird. Dies gilt allerdings nach dem Wortlaut des Gesetzes nur bis zu einem Jahr nach dessen Verkündung, d.h. spätestens bis 1991. Darüber hinaus hat der Supreme Court in jedem Fall das Recht, derartige Richtlinien für verfassungswidrig zu erklären, sollten diese mit der US-Constitution nicht in Einklang stehen. Die Entscheidung des Supreme Courts in Sutton v. United Air Lines und darin enthaltene Äusserungen des Gerichts legen nahe, dass nach 1991 verabschiedete arbeitsrechtliche Richtlinien der EEOC, abgesehen von deren potentiellen Verfassungswidrigkeit, nur Empfehlungskraft, aber keine verbindliche Gültigkeit beanspruchen koennen. Eine klärende höchstrichterliche Entscheidung bleibt jedoch abzuwarten. Derzeit mangelt es allerdings an Rechtssicherheit, insbesondere in Bezug auf eine heftig umstrittenen Richtlinie der EEOC, die zu Beginn dieses Jahres herausgegeben wurde, die u.a. die Reichweite der Pflicht der Arbeitgeber betrifft, behinderte Arbeitnehmer i.S.d. ADA durch zumutbare Hilfsmassnahmen wirksam in den Betrieb einzugliedern ("reasonable accommodation") und die Möglichkeit der Entlastung, wenn und soweit solche Massnahmen eine unzumutbare Härte ("undue hardship") für den Arbeitgeber bedeuten. In Par. 12111 (10), U.S.C.A., Bd. 42, wird "undue hardship" nur vage definiert, wobei erheblich Schwierigkeiten oder Kosten unter Berücksichtigung der Art der erforderlichen Massnahmen, finanziellen Mittel des Unternehmens, Auswirkungen auf die Arbeitsablaeufe etc. berücksichtigt werden sollen. Im Hinblick auf diese unbestimmten Rechtsbegriffe umfassen nach Ansicht der EEOC notwendige Eingliederungs- und Hilfsmassnahmen als letzten Ausweg ("last resort") sogar die Pflicht zur Tolerierung unbegrenzten Arbeitsausfalls ( selbstverständlich aus mit der Behinderung zusammenhüngenden Gründen).Insbesondere sollen sogenannte "no-fault-policies" (Verfahrensweisen, die die automatische Beendigung des Arbeitsverhültnisses beinhalten, wenn der behinderungsbedingte Arbeitsausfall einen vorher bestimmten Zeitraum, meist zw. 18 und 24 Monate, überschreitet) ausgeschlossen werden. Durch eine damit korrespondierende restriktive Auslegung der "undue hardship"-Klausel, sowie des Verbotes aufgrund des Arbeitsausfalls sonstige Strafmassnahmen zu veranlassen, wird die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Arbeitgeber stark eingeschränkt. Ausserdem soll nach der EEOC-Richtlinie, ebenfalls als sogenannten "letzten Ausweg", den Arbeitgeber die Pflicht treffen, freie Arbeitsstellen dazu qualifizierten Arbeitnehmern anzubieten, die wegen ihrer Behinderung die wesentlichen Anforderungen an ihrem bisherigen Arbeitsplatz im gleichen Unternehmen nicht mehr erfüllen koennen. Eine Pflicht des Arbeitnehmers, mit anderen Bewerbern um diesen Arbeitsplatz in Wettbewerb zu treten, sei dabei ausgeschlossen. Wiederum bietet eine sehr restriktive Interpretation des Konzepts der unzumutbaren Härte den Arbeitgeberinteressen nur wenig Rückhalt. Eine höchstrichterliche Entscheidung bzgl. der Verbindlichkeit der Richtlinien des EEOC ist folglich dringend geboten. Diese sollte einerseits die Interessen der Arbeitgeber, effektive Personalentscheidungen, die der Produktivität des Unternehmens dienlich sind, zu treffen, berücksichtigen, andererseits aber auch dem Zweck des ADA, vermeidbare Benachteiligungen behinderter Arbeitnehmer auszuräumen, gerecht werden. * Der Verfasser war im September 1999 Praktikant bei der Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe LL.P. in Washington D.C.und heute wieder an der Uni Trier, wo er Rechtswissenschaften studiert. Er interessiert sich besonders für Handels- und Gesellschaftsrecht, insbesondere auch auf internationaler Grundlage. Auch in Zukunft nimmt er gerne an Praktika mit Schwerpunkt auf diesem Gebiet in Deutschland, anderen europäischen Ländern oder Nordamerika teil. |