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© 1991-2015 C. Kochinke, Rechtsanwalt u. Attorney at Law, Washington, DC, USA


Die Stellung des Notars in den USA
von Jan Castendiek* (Sommer 1994)

Die Funktion des Notars ist wie die meisten Rechtsinstitute über das englische Recht in das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika eingeflossen. Die Tätigkeit des US-Notars besteht im Wesentlichen in der Beglaubigung von Vorgängen; es fehlt insbesondere die Gewähr einer juristischen Vorbildung sowie einer Vertrauensstellung des Notars. Dieser Beitrag soll dazu dienen, dem deutschen Juristen das amerikanische Modell des "Notary Public" näherzubringen, das in wichtigen Punkten vom deutschen System abweicht und über das im deutschsprachigen Raum erhebliche Aufklärungsdefizite bestehen. Der deutsche Jurist in der amerikanischen Praxis sieht sich unter anderem mit Fällen konfrontiert, in dem diese Defizite von betrügerischen Geschäftemachern ausgenutzt werden.

Die Regelung des Notariats in den USA ist Sache der einzelnen Staaten. Es existieren nur wenige und nicht sehr bedeutende Bundesvorschriften über die Stellung von Notaren. Somit gibt es einige regionale Unterschiede. Die meisten Staaten haben sehr ähnliche Regelungen; man ist jedoch niemals vor Überraschungen sicher. Zum Beispiel ist es dem Notar in Florida entgegen der landläufigen Praxis gestattet, seine Amtsgeschäfte im Rahmen einer Handelsgesellschaft (Notary Inc.) abzuwickeln. Ein Gesetzesmuster für eine einheitliche Regelung, das "Uniform Law on Notarial Acts", ist lediglich in sechs Staaten umgesetzt worden.

Die Notare sind in allen Staaten Inhaber eines öffentlichen Amtes und werden in der Regel vom Gouverneur des Staates, meistens auf vier Jahre, ernannt. Der Amtsbezirk des Notars ist entweder das County, in dem er seinen Sitz hat, oder der gesamte Bundesstaat. Der Notar muß seine Amtsgeschäfte persönlich führen und darf keine anderen öffentlichen Ämter bekleiden. Er darf jedoch andere Tätigkeiten ausüben. Die Kombination der Berufe des Rechtsanwalts und des Notars ist auch in den USA nicht unüblich—sofern der Amtsinhaber Jurist ist. Die wenigsten Notare in den USA haben eine juristische Ausbildung durchlaufen, und ihre Büros sind sehr häufig in Empfangsräumen von Motels, in kleinen Gebäuden an Ausfallstraßen in Stadtnähe oder in sonstigen Räumlichkeiten, für welche die Mietpreise eher am unteren Ende der Skala liegen, zu finden.

Die Eingangsvoraussetzungen für den Beruf sind dementsprechend niedrig, und eine zahlenmäßige Limitierung der Notare ist nicht zulässig (sie ist nach amerikanischer Rechtsprechung diskriminierend, willkürlich und demzufolge nichtig). Der Notar muß einen "guten und moralischen Charakter" aufweisen und zur Amtsführung in der Lage sein. Das Mindestalter liegt in der Regel bei 18 Jahren, und es bestehen Vorschriften über den Wohnsitz. Weitere Eingangsvoraussetzungen gibt es nicht.

Bei der Bewerbung um das Amt muß der Kandidat in einigen Staaten lediglich Angaben zu seinem Namen, seiner Anschrift, seinem Alter und seinem Vorstrafenregister machen. Andere Staaten benutzen etwas umfangreichere Fragebögen zur Feststellung der Eignung der Bewerber. In keinem Falle jedoch gewährleisten die Vorschriften eine seriöse Amtsführung des Notars, wie man sie in Deutschland gewohnt ist.

Der Aufgabenbereich des amerikanischen Notars umfaßt die Beglaubigung von schriftlichen Dokumenten, bei deren Unterzeichnung er zugegen ist, nachdem er sich über die Identität des Erklärenden vergewissert hat (neben der Ausweisvorlage ist auch der Eid eines Dritten, der dem Notar von Person bekannt ist, ausreichend). Er ist bei der Erstellung von Dokumenten im Rahmen von Grundstücksteilungen und Grundstücksübertragungsgeschäften tätig, wo er neben seiner beglaubigenden Tätigkeit z.B. auch Auskünfte beim Grundstücksregister und bei Steuerbehörden einholt, und wird bei der Errichtung von Testamenten herangezogen. Er fertigt beglaubigte Kopien, protestiert Papiere, bei denen ein Protest erforderlich ist, beglaubigt mündliche Erklärungen und sagt erforderlichenfalls vor Gericht über seine Amtsgeschäfte als Zeuge aus. Ferner wird er bei Hinterlegungen, Zahlungen und Aufforderungen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten hinzugezogen. Daneben kann sein Zuständigkeitsbereich auch die Abnahme von Eiden und Erklärungen zur Eingehung einer Ehe umfassen.

Der Aufgabenbereich des Notars entspricht zwar in vielem den von Deutschland gewohnten Tätigkeiten; als Faustregel kann jedoch generell gelten, daß er dort endet, wo juristische Vorbildung oder Vertrauensstellung dem Notar besondere Verantwortung übertragen. Dies ist es letztlich, was den Beruf trotz oberflächlicher Ähnlichkeit vom mitteleuropäischen Notarberuf grundverschieden macht.

Insoweit muß herausgestellt werden, daß es in den USA ganz und gar unüblich ist, einem Notar Gelder auf Anderkonten anzuvertrauen. Die Einvernahme und Weiterleitung von Zahlungen gehört in den USA nicht zu den Aufgaben eines Notars (52 S.538, 420 So 2d 1094 (La, Roth vs. Enterprises)). Weder hat er eine dementsprechende Vertrauensstellung inne, noch werden derartige Transaktionen von seinen Klienten erwartet. Das insoweit abweichende mitteleuropäische Modell wird von Betrügern zuweilen dazu ausgenutzt, unter Vorspiegelung vermeintlicher Sicherheit Europäer zu Transaktionen auf Notarkonten oder zur Übergabe von Zahlungsmitteln an Notare in den USA zu veranlassen.

Ferner hört die Verantwortung des amerikanischen Notars dort auf, wo spezifische juristische Kenntnisse gefragt sind. Nach der Rechtsprechung ist ein Notar nicht haftbar, wenn ein vom Erblasser vor ihm errichtetes Testament sich als ungültig herausstellt und die vom Erblasser gewollten Rechtsfolgen demzufolge nicht eintreten (Vanderhoof vs. Prudential, 2nd Dist., 46 Cal App 3d 507, 120 Cal Rptr 207). Hieraus wird deutlich, daß der amerikanische Notar lediglich für die Beglaubigung der Echtheit von Unterschriften, von wenigen Ausnahmen abgesehen aber nicht für die Gewährleistung von speziell gewollten Inhalten der vor ihm errichteten Dokumente zuständig ist, wofür ihm in der Regel auch die erforderlichen Kenntnisse fehlen. Für Fehler in seinem so definierten Pflichtenkreis trifft den Notar eine Fahrlässigkeitshaftung, soweit besondere gesetzliche Vorschriften bestehen. Der Notar haftet nicht für fahrlässige Verletzung seiner aus dem althergebrachten Common Law folgenden Pflichten; ferner können im Einzelfall Haftungsprivilegien aufgrund seiner Stellung als öffentlicher Amtsinhaber bestehen. Insgesamt besteht im Notarhaftungsrecht eine beträchtliche Rechtszersplitterung.

Die vom Notar angefertigten Zertifikate über die von ihm beglaubigten Vorgänge liefern vollen Beweis über die beglaubigten Vorgänge, ohne daß die ordnungsgemäße Errichtung bewiesen werden muß. Eine Gegenbeweisführung ist zulässig; sie muß jeden vernünftigen Zweifel ausschließen, um Erfolg zu haben. Die Anerkennung von notariellen Urkunden aus anderen Jurisdiktionen, auch aus anderen Staaten der USA, ist nicht ohne weiteres gewährleistet, aber im einheitlichen Entwurf des "Uniform Law of Notarial Acts" enthalten.


* Der Verfasser fertigte diesen Überblick im Sommer 1994 als Referendar im Rahmen seiner Wahlstagenausbildung in Washington, DC bei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP an.


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