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Das Grokster-Urteil vom 27. Juni 2005


Erstveröffentlichung 7. Juli 2006
Von Verena Hild *


Die Entscheidung des Obersten Bundesgerichtshofs der Vereinigten Staaten vom 27. Juni 2005 im Fall Metro-Goldwyn-Mayer Studios inc. et al v. Grokster, LtD. et al. zählt wohl zu einer der bedeutendsten Entscheidungen des Jahres 2005.

Sie wird von vielen als richtungsweisend auf dem Gebiet des Spannungsfelds der Verletzung von Urheberrechten und des innovativen Fortschritts technischer Entwicklungen gesehen.

Ob sie dies wirklich ist, darf bezweifelt werden. Die aufgestellten Grundsätze erscheinen schwammig und dürften daher eher zu einer Rechtsunsicherheit als zur Rechtsklarheit führen.

I. Sachverhalt
Stellvertretender Kläger für die Größen der amerikanischen Film- und Plattenindustrie waren die Metro-Goldwyn-Mayer Studios (MGM).

Auf Beklagtenseite standen Grokster und Streamcast Networks, die Entwickler und Anbieter von Freeware Software für Internettauschbörsen.

Aufgrund der Bedeutsamkeit des Falls nicht nur in urheberrechtlicher, sondern auch in technisch-innovativer Hinsicht fanden sich sowohl auf Kläger- wie auf Beklagtenseite namhafte Unterstützer. Diese leisteten den Parteien prozessualen Beistand in Form von sogenannten amicus curiae-Schriftsätzen. Diese Schriften stellen eine Besonderheit des amerikanischen Prozessrechts dar. Die Bezeichnung amicus curiae bedeutet Freund des Gerichts. Der im Sommer 2005 verstorbene ehemalige vorsitzende Richter des Obersten Bundesgerichtshofs der Vereinigten Staaten in Washington, William Rehnquist, bezeichnete diesen Freund des Gerichts als jemanden, der keine Partei des Rechtsstreits sei, aber der daran glaubt, dass die Entscheidung des Gerichts möglicherweise günstig hinsichtlich seiner Interessen ausfalle. Seine Funktion liegt folglich in einer aus eigener Interessenlage motivierten parteiischen und sachverständigen Beratung. Diese Stellung nehmen oft Interessenverbände oder Organisationen ein.

Die Kläger fanden unter anderem Unterstützung durch Schriftsätze von Musikproduzenten, der nationalen Football-Liga und der US-Regierung.

Bürgerrechtsgruppen, Verbraucherverbände, Größen aus der Computer- und Unterhaltungselektronikindustrie, sowie namhafte Wissenschaftler standen hinter den Beklagten und versuchten so mittelbar die Entscheidung der Gerichte in ihrem Interesse zu beeinflussen.

Klagegegenstand war die Haftbarmachung der Beklagten für die Ermöglichung und Förderung von Urheberrechtsverletzungen begangen durch die Nutzer ihrer Software unter Verletzung des Copyright Act, 17 USC §101 et seq. (2000 ed., Supp. II)

Das Hauptproblem des Falls lag dabei in dem Mangel einer legitimen Haftungsgrundlage, da der Copyright Act keine ausdrückliche haftungsbegründende Regelung für die Ermöglichung bzw. Veranlassung von Urheberrechtsverletzungen enthält.

II. Software und Arbeitsweise des Beklagten
Zum besseren Verständnis der rechtlichen Problematik und der Entscheidungsgründe ist eine Darstellung der Funktionsweise der Software des Beklagten notwendig.

Ihre Programme wurden als Freeware, Software, die von dem Nutzer, aus dem Internet heruntergeladen und verwendet werden kann, ohne dass er dafür dem Urheber ein Entgelt, also eine Lizenzgebühr, zu zahlen hat, angeboten.

Die Installation der Software ermöglicht es dem Verwender an einem sogenannten file sharing (Datentausch) mitzuwirken. Über das Internet in Form einer Tauschbörsenplattform tauschen deren Nutzer miteinander Dateien aus und stellen sich diese gegenseitig zur Vervielfältigung zur Verfügung. Dabei verbleibt das Original immer bei dem Anbieter. Gegenstand dieses Systems innerhalb der Internettauschbörsen sind dabei zumeist Musik- und Filmdateien.

Die Funktionsweise dieser Software lässt sich als eine Peer-to-Peer File Sharing-Software charakterisieren.

Peer-to-Peer, auch P2P genannt, bedeutet soviel wie "zwischen Gleichgestellten". Der Begriff erklärt zugleich das dahinter stehende System. Es besteht aus einem Netzwerk in dem sich alle Computer gleichermaßen und in direkter Kommunikation gegenüber stehen. Jeder einzelne kann gleichzeitig Dienste oder Informationen anbieten, so dass der eigene Rechner zum Server wird, oder solche von anderen nutzen, wobei er dann die Position eines Client einnimmt. Es findet ein direkter Datenaustausch zwischen den einzelnen Computern statt.

Im Gegensatz dazu steht das herkömmliche Client-Server-System. Hierbei stellt der Computer des Nutzers den Client, Kunden, dar und der Rechner eines Anbieters einer Internetseite, webpage, den Server. Der Client fordert eine Information oder einen Dienst an und nutzt diesen, ohne selbst einen anzubieten. Es findet somit kein gegenseitiger Austausch statt.

Innerhalb des P2P-Systems ist zwischen zentralen und dezentralen Systemen zu unterscheiden.

So bediente sich z.B. die ehemaligen Tauschbörse Napster eines zentralen Systems.

Bei diesem fand zwar eine direkte Kommunikation zwischen den einzelnen Peers statt, bei Programmstart meldete sich jedoch jeder Nutzer der Napster Software unter Anzeige seiner Kennung sowie einer Liste der bei ihm zum Tausch bereitstehenden Dateien am zentralen Server von Napster an. Damit verfügte der Napster Server über eine zentrale Datenbank, die eine Katalogisierungsfunktion erfüllte, um direkte Suchanfragen der Nutzer zu ermöglichen. Suchte ein Nutzer der Napster Software eine bestimmte Datei, so fragte er als Client bei dem Napster Server an, bei welchem anderen Nutzer eine solche Datei zu finden sei. Der Server übermittelte dem Anfragenden daraufhin den Namen und die Adresse des nutzers, so dass eine direkte Datenübertragung zwischen den Nutzern als Gleichgestellten stattfinden konnte.

Die Beklagten dagegen verwendeten ein dezentrales P2P-System. Dem dezentralen System der Beklagten lagen dabei zwei verschiedene Technika zugrunde.

Die Software des Beklagten Grokster basierte auf der sogenannten Fast Track Technik. Streamcast hingegen griff auf die Gnutella-Technik zurück.

Gemein haben diese Techniken, dass sie ähnlich wie im zentralen System eine Art Katalogisierungsfunktion aufweisen. Diese ist auch bei dezentralisierten Systemen notwendig, um Suchanfragen der Tauschbörsennutzer zu ermöglichen und dabei gleichzeitig einen Zugang zu verfügbaren Informationen zu gewähren. Der Unterschied zu den zentralen Systemen, die einen zentralen Indexserver besitzen, ist die andersartige Form der Katalogisierung, die dezentral über die Verwendung dieser speziellen Software Technologien erfolgt.

Bei Gnutella verwendet jeder Nutzer dieses Netzwerks eine gleichartige Software. Es gibt keinen zentralen Server der Suchanfragen bearbeitet. Startet ein Nutzer des Netzwerks eine Suchanfrage, so wird diese zunächst nur an benachbarte Systeme weitergeleitet. Diese geben ihrerseits die Anfrage an ihre benachbarten Systeme weiter, bis die angeforderte Datei gefunden wurde. Anschließend kann eine direkte Verbindung zwischen dem suchenden und dem anbietenden Nutzer für die Datenübertragung hergestellt werden.

Vorteil dieses Systems ist seine Ausfallsicherheit. Suchanfragen können selbst dann weitergeleitet werden, wenn einzelne Teile des Netzwerks zeitweise unerreichbar sind. Nachteilig dagegen ist die lange Dauer der Suchanfrage, da es keinen zentralen Indexserver gibt, und hohe Netzwerkbelastung durch die teils ziellosen Weiterleitungen der Suchanfragen.

Fast Track basiert auf der vorweg dargestellten Gnutella Technolgie, erweitert diese aber um sogenannte superknodes. Superknodes sind leistungsstarke Computer, die als Knotenpunkte im Netzwerk dienen. Sie agieren als vorübergehende Indexserver und erfüllen somit eine Katalogisierungsfunktion. Da die Superknode-Funktion in die Software eingebaut ist, kann sie von jedem Nutzer, der über einen leistungsstarken Computer verfügt, eingesetzt werden, um „schwächeren“ Nutzern den Zugriff auf gesammelte Informationen zu gewähren. Folglich gibt es auch bei dieser Technologie keinen zentralen Server seitens des Beklagten.

III. Entscheidungen der Untergerichte
Sowohl ein Bundesgericht in Los Angeles, als auch das Bundesberufungsgericht des neunten Bezirks sahen eine Haftung der Beklagten für die Verletzung von Urheberrechten nach 17 USC §501-13 unter Verweis auf die geltenden Theorien der Sekundärhaftung als nicht gegeben an.

1. Theory of Contributory Copyright Infringement
Zur Beurteilung der Frage der Sekundärhaftung zogen sie zunächst den Grundsatz der mitursächlichen Urheberrechtsverletzung, theory of contributory copyright infringement, heran. Dieses Prinzip, dass eine Mithaftung neben dem Primärstörer, dem Verwender der Software, in Form der Beihilfe, konstituiert, basiert auf drei Elementen.

Erstens auf der direkten Verletzung eines Urheberrechts durch einen Primärstörer. Zweitens auf der Kenntnis des Sekundärstörers von der Verletzung und drittens auf einem materiellen Beitrag des Sekundärstörers zur Verletzung.

Das Vorliegen einer direkten Verletzung durch einen Primärstörer, den Nutzer der Tauschbörsensoftware, wurde hinsichtlich der meisten Fälle als unbestritten angesehen.

Zur Feststellung der Einschlägigkeit der weiteren Voraussetzungen beriefen sich das Bundesgericht wie das Bundesberufungsgericht auf das Urteil des Obersten Bundesgerichtshofs im Fall Sony Corp. of America v. Universal City Studios Inc., 464 U.S. 417 (1984), auch Sony Betamax-Urteil genannt.

Hierin hatte der Oberste Bundesgerichtshof entschieden, dass der Verkauf von Videorecordern nicht als haftungsbegründender Beitrag zu einer Urheberrechtsverletzung gewertet werde könne, selbst wenn der Hersteller des Videorecorders, hier Sony, die Kenntnis besäße, dass dieselben auch urheberrechtsverletzend von ihren Kunden eingesetzt würden.

2. Staple Article of Commerce From Patent Law, 35 USC §271(b)(c)
Zur Konkretisierung dieser Feststellung; die der Oberste Bundesgerichtshof auf Basis der Theorie des Beitrags zur Urheberrechtsverletzung getroffen hatte, verwies das Bundesberufungsgericht auf den staple article of commerce Grundsatz des Patentgesetzes in 35 USC §271(c)

Dieser aus dem amerikanischen Patentrecht stammende Grundsatz besagt, dass ein Anspruch gegen einen Hersteller auf Mithaftung wegen Beitrags zur Urheberrechtsverletzung nicht besteht, wenn es diesem gelingt zu beweisen, dass die Verwendung seiner Produkte im maßgeblichen Umfang einem sich nicht verletzend auswirkenden handelsüblichen Gebrauch unterliegt. Eine Kenntnis des Beklagten von Urheberrechtsverletzungen aufgrund der missbräuchlichen Verwendung seines Produkts wirkt sich dann grundsätzlich nicht mehr mithaftungsbegründend aus.

Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung im Fall Napster, A&M Records vs. Napster, 284 F.3d 1091 (2002), schränkte das Untergericht jedoch diesen Grundsatz ein.

Hier hatte es ebenfalls die Sony Betamax-Entscheidung ausgelegt und erklärt, dass der Eigentümer des Urheberrechts vielmehr nachweisen müsse, dass der Beklagte in bestimmten Fällen von den Verletzungen Kenntnis gehabt habe und trotz dieser Kenntnis es unterließ, geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um diesen vorzubeugen.

Wird das Produkt üblicherweise unter Verletzung von Urheberrechten gebraucht, so hat der Kläger lediglich die Kenntnis des Beklagten von diesen Verletzungen nachzuweisen. Führt die maßgebliche Verwendung des Produkts allerdings nicht zu Urheberrechtsverletzungen, so hat der Kläger dem Beklagten nachzuweisen, dass dieser begründete Kenntnis von spezifischen Verletzungsfällen hatte und trotz dieses Wissens keine präventive Maßnahmen ergriff.

Sie waren der Ansicht, dass die Seiten und Einrichtungen der Beklagten, anders als die von Napster, keine Plattform oder andere Unterstützung für direkte Verletzungen böten. Zudem sei es den Beklagten mangels der Eigenschaft eines Zugangsanbieters nicht möglich gewesen, Nutzerkonten zu sperren. Vielmehr sei fallbezogen der Verwender der Software derjenige, welcher durch die Verbindung im Internet das Netzwerk schaffe und den Zugang anböte. Die einzige Aktivität der Beklagten bestünde darin die dafür erforderlichen Voraussetzungen in Form der Software zu leisten. Aufgrund ihres beiläufigen Charakters sei diese Aktivität deshalb nicht als konstitutiver materieller Haftungsbeitrag zu werten.

Ein materieller Verletzungsbeitrag läge erst vor, wenn der Softwareanbieter gleichzeitig auch ein Zugangsanbieter sei und nach erworbener Kenntnis von Urheberrechtsverletzungen dennoch nicht den weiteren Zugang erschwere oder gar unmöglich mache. Für den Fall, dass der Anbieter Dateien speichere, würde das Nichtlöschen der betroffenen Dateien möglicherweise ebenfalls einen solchen Verletzungsbeitrag darstellen.

Auch das Argument, dass die P2P-File-sharing Technologie lediglich erfunden wurde, um die Probleme und dadurch begründete Haftung von Napster als deren möglicher Nachfolger zu umgehen, konnte aus Sicht der Untergerichte ebenfalls keine materielle Haftung begründen. Die Technologie weise zahlreiche andere Nutzungsmöglichkeiten auf. Sie diene unter anderem zur Reduzierung der Vertriebskosten von lizenzfreier Kunst oder Sprache.

3. Theory of Vicarious Infringement
Des Weiteren wendeten die Untergerichte zur Beurteilung der Frage der Haftung der Beklagten die sogenannte Theorie der indirekten Urheberrechtsverletzung, Theory of Vicarious Copyright Infringement, an.

Diese weist drei Voraussetzungen auf. Erstens, die der direkten Verletzung durch einen Primärstörer. Zweitens fordert sie einen unmittelbaren finanziellen Vorteil seitens des Beklagten und Drittens das Recht und die Möglichkeit, den Primärstörer zu beaufsichtigen.

Die ersten beiden Voraussetzungen waren fallbezogen unumstritten. Es lag eine Verletzung durch den Nutzer als Primärstörer vor. Ebenso ist ein finanzieller Gewinn seitens der Beklagten gegeben, die durch den Verkauf von Werbeflächen auf ihrer Plattform Werbeeinnahmen erzielten. Die dritte Voraussetzung, das Recht und die Möglichkeit zur Beaufsichtigung, verneinten die Untergerichte.

Zur Verdeutlichung ihrer Ansicht zogen sie die historische Unterscheidung zwischen zwei paradigmatischen Beklagten metaphorisch heran, Cherry Auction,76 F.3d at 262 (HIER FEHLT DAS JAHR). Sie verglichen einen Tanzlokalbetreiber mit der Person eines Vermieters. Der Tanzlokalbetreiber hat das Recht und die Möglichkeit, die Besucher seines Etablissements zu beaufsichtigen, um einem Verstoß gegen seine Regeln vorzubeugen oder zu ahnden. Für den Vermieter hingegen besteht diese Möglichkeit und das Recht nicht. Er überlässt die Mietsache und muß auf ihre rechtmäßige Nutzung vertrauen. Folglich beschreibe das Recht und die Möglichkeit der Beaufsichtigung das konkrete Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Primärstörer.

Im Bereich des Softwarevertriebs sei daher oftmals ein förmlicher Lizenzvertrag charakteristisch für die Beziehung zwischen dem Urheberrechtsverletzer und dem Softwareanbieter, hier den Beklagten. In dem Lizenzvertrag wird den Softwareanbietern zumeist das Recht eingeräumt, den Zugang eines Störers aus jeglichem Grund zu blockieren. Diese Möglichkeit indiziert gleichfalls das Vorliegen des Rechts zur Überwachung. Durchsetzbar ist diese Überwachung jedoch lediglich aufgrund eines zentralen Servers.

Da die Beklagten auf Technologien des dezentralen P2P-Systems zurückgreifen, arbeiten sie ohne Möglichkeit zur Überwachung. Zudem stellt ihre Software eine lizenzfreie Freeware-Software dar. Die Beziehung der Beklagten zu ihren Verwendern wird daher nicht durch einen Lizenzvertrag definiert.

IV. Entscheidungsgründe des Obersten Bundesgerichtshofs

Entgegen der haftungsfreisprechenden Entscheidungen der Untergerichte hielt der Oberste Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten die Beklagten für haftbar.

Seiner Ansicht nach beruhte die Haftungsbefreiung auf einer Fehlauslegung des Sony Betamax-Urteils sowie auf der generellen Frage, der Anwendbarkeit dieser Entscheidung auf die fallgegenständliche Sachlage.

Nichts in diesem, Common Law darstellenden Urteil weise darauf hin, dass ein Gericht den Beweis ignorieren soll, dass eine Absicht zur Unterstützung oder Förderung von Urheberrechtsverletzungen vorliegt. Dies würde den Ausschluss oder eine Verdrängung der common law-Regeln über eine Verschuldenshaftung bedeuten. In dem Fall, wo Kenntnis über die mögliche verletzende Verwendung eines Produktes vorläge und Stellungnahmen seitens des Vertreibers auf eine gezielte Unterstützung dieser Verwendung hinweisen, dürfe daher die im Sony Betamax-Urteil ausgesprochene Haftungsbefreiung keine Anwendung finden.

Im Common Law ist jeder Beklagte in urheber- oder patentrechtlichen Streitigkeiten, der nicht nur den verletzenden Gebrauch akzeptiere, sondern vielmehr auch durch gezielte Förderung mittels Werbung herbeiführe, haftbar für die Verletzung.Kalem Co. v. Harper Brothers, 222 U.S. 55, 62-63, 1911 (HIER FEHLT DAS JAHR).

Unterstützend griff der Oberste Bundesgerichtshof dabei auf die sogenannte inducement Theory, zu deutsch Veranlassertheorie, zurück, welche die Untergerichte bei ihren Entscheidungen außer Betracht gelassen hatten. Nach diesem Grundsatz kommt es zu einer mittelbaren Haftung, wenn der Beweis erbracht ist, dass aktive Schritte zur Veranlassung zur direkten Verletzung erfolgten, siehe Oak Industries, Inc.v. Zenith Electronic Corp, 697 F. Supp. 988, 992 (ND Ill. 1988).

Im vorliegenden Fall sah der Oberste Bundesgerichtshof daher aufgrund dreier Tatsachen die Absicht zur Veranlassung der Verletzung geistigen Eigentums seitens der Beklagten als erwiesen an.

Erstens wandten sich beide Beklagte zielgerichtet an einen bereits vorhandenen Markt der Nachfrage, der Urheberrechtsverletzungen bedingte. Dieser Markt bestand vornehmlich aus ehemaligen Napster Nutzern, denen die Plattform durch die Verurteilung und die damit verbundene Einstellung des Napster-Dienstes, entzogen worden war. Ein Indiz für diese zielgerichtete Akquise stelle die Kompatibilität der von dem Beklagten Streamcast verwendete Morpheus Software mit den Napster Programmen dar. Streamcast pries zudem aktiv seine Software als eine Alternative zu Napster an. Durch Installation bestimmter digitaler Codes versuchten sie Verwender von Suchmaschinen, welche den Suchbegriff Napster eingaben, auf ihre Seite weiter zu leiten. Streamcast warb zudem um Kunden, mit dem Hinweis, über eine größere Anzahl kopierfähiger Lieder als andere Tauschbörsen zu verfügen.

Bei Grokster sah es der Oberste Bundesgerichtshof als augenscheinlich an, dass auf Grund des ähnlichen Wortklangs durch die ableitende Verwendung des selben Wortstamms des Wortes Napster ebenfalls die Absicht einer gezielten Werbung um ehemalige Napster Verwender vorläge. Zudem warb Grokster mit Newslettern, in denen die Top 40 Hits gelistet waren, und bot somit selbst populäres urheberrechtlich geschütztes Material an.

Diese Verhaltenweisen zeigten, wenn auch nicht ausschließlich, ein Bestreben, Urheberrechtverletzungen zu bedingen oder zumindest zu tolerieren.

Zweitens habe es keiner der Mitbeklagten je versucht, Filterinstrumente oder andere Mechanismen zu entwickeln, um das verletzende Verhalten der Verwender ihrer Software zu mindern oder ihm vorzubeugen. Obwohl die Untergerichte dieses Unterlassen als irrelevant behandelten, da es ihrer Meinung nach bei den Beklagten an einer unabhängigen Pflicht zur Beaufsichtigung des Verhaltens ihrer Verwender mangelte, unterstrich dieser Beweis nach Meinung des Obersten Bundesgerichtshofs die Absicht seitens der Beklagten die Verletzungen ihrer Verwender zu unterstützen.

Drittens verlangten die Beklagten zwar kein Entgelt von ihren Nutzern. Dies war auch nicht notwendig, da sie durch den Verkauf von Werbeeinblendungen einen enormen finanziellen Gewinn erzielten. Auf den Bildschirmen ihrer Nutzer erschienen diverse Anzeigen. Je mehr die Software verwendet wurde, umso höher war der Werbeeffekt und damit der Wert der Anzeigen, sowie der Gewinn der Beklagten. Dieser Beweis rechtfertigte nach Ansicht des Obersten Bundesgerichtshofs zwar nicht allein einen Rückschluss auf unrechtmä&iges Verhalten, dennoch stelle er einen wichtigen Faktor im Gesamtkontext dar.

Auch die Anzahl der Urheberrechtsverletzungen, welche die Kläger in Höhe von insgesamt fast 90% der zum download bereit stehenden Dateien angaben, sah das Gericht als ein gewichtiges Argument an.

V. Meinung

Um die rechtliche wie tatsächliche Problematik dieser letztinstanzlichen Entscheidung des Obersten Bundesgerichtshofs zu verdeutlichen, ist auf die Meinung des Professors der Rechtswissenschaften der Stanford Law School, Lawrence Lessing einzugehen. Er ist trotz seines Wissens um die Problematik der Urheberrechtsverletzungen durch die Verwendung von Technologien wie P2P, ein Befürworter des technischen Fortschritts. Dabei geht es ihm um den Fortbestand der Technik um derer legalen Verwendungsmöglichkeiten Willen.

In tatsächlicher Hinsicht sieht er die Gefahr, dass es durch Entscheidungen, wie im Fall Grokster, zu einer generellen Illegalerklärung und damit verbundenen Abschaffung solcher Technologien kommt. Damit seien weitreichende Folgen für den allgemeinen technischen Fortschritt, die Kreativität und die Kultur verbunden.

Rechtlich gesehen stellt für ihn die Illegalerklärung durch die Gerichte einen Verstoss gegen das allgemein in der amerikanischen Technologiewelt geltende Haftungsprinzip, dass Technologien die substanziell dem nichtverletzenden Gebrauch unterliegen auch keine Sekundärhaftung des Herstellers begründen, dar. Diese sich auch aus dem Sony Betamax-Urteil ergebende Konsequenz sollte seiner Ansicht nach zu einer Gesetzgebung durch den Kongress führen, nicht zu einer darauf basierenden Auslegung der Gerichte. Die Gerichte durchbrächen dadurch ihre legislativ eingeräumten Möglichkeiten. Die Klärung solcher Fragen und Prinzipien, die immer wieder auftauchen, falle nicht in ihren Kompetenzbereich. Die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage sei aus Gründen der Rechtssicherheit unumgänglich.

Ansonsten berge die Möglichkeit, jemanden unter Anwendung vager Haftungsstandards vor Gericht zu bringen, das Risiko, dass solche Gerichtsverfahren sich zu einem Kontrollinstrument oder zu einer Waffe zur Regulierung der Marktwirtschaft entwickeln. Denn Haftungsprozesse seien zeitaufwendig und in der Lage, die finanziellen Rücklagen eines jungen Unternehmens bis zur Insolvenz zu minimieren. Aufgrund der Angst der Unternehmen ihre Gelder an Anwälte zu verlieren, fände eine Hemmung der Entwicklungsfreude statt. Folglich würden Innovationskraft und neue Kreativität im Keim erstickt.

Lessig plädiert daher auch an die betroffenen Urheber, die eine der stärksten Lobbys Amerikas darstellen, an den Kongress heranzutreten und über die spezifischen Probleme, die sie in vielen Fällen schon auf dem Klageweg versucht haben zu lösen, zu berichten.

Bei der Entwicklung gesetzlicher Regeln müsse eine Lösung gefunden werden, die sowohl dem Schutz von Urheberrechten wie der Förderung des technischen Fortschritts Rechnung trage. Ansonsten käme es zu einer Stagnation des Kommunikationswesens und dadurch bedingt auch zur Einschränkung der Kreativität der Urheber. Denn heute bediene sich jeder wie selbstverständlich der sich ihm bietenden digitalen Möglichkeiten, zu denen auch die P2P-Technik gehört, um seinen Ideen oder seiner Kreativität Ausdruck zu verleihen oder um auf geschaffenen Werken aufzubauen, diese zu ergänzen oder zu kritisieren. Ohne diese Möglichkeiten wäre eine weitere Folge des Verbots solcher Technologien die Hemmung des wirtschaftlichen Wachstums.

VI. Rechtsvergleich

Das deutsche Rechtssystem sieht sich trotz der zum 1. Januar 2003 eingetretenen Änderungen des Urheberrechts vor ähnlichen Problemen wie das amerikanische.

Auch hier werden P2P-Netzwerke zum Tausch urheberrechtlich geschützter Werke in erheblichem Umfang genutzt. Eine effektive rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme gegenüber dem einzelnen Nutzer existiert grundsätzlich nicht. Auch können Betreiber wie Grokster, die auf dezentrale Systeme zurückgreifen, nicht haftbar gemacht werden. Zwar findet sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich ein Anknüpfungspunkt für die Haftung, in Form der möglichen Verletzung einer Verhaltenspflicht, die eine Gefahrenquelle eröffnet, oder einer Verkehrssicherungspflicht, die eine eröffnete Gefahrenquelle nicht ausreichend abschirmt. Bei dezentral betriebenen Internettauschbörsen greift diese Form der Haftungsbegründung jedoch nicht. Der Vertrieb von Software, die auf der P2P-Technik basiert und neben ihrer hauptsächlich legalen auch illegale Verwendung findet, führt nach Ansicht des BGH noch nicht zwangsläufig zu einer derartigen Konzentration aufgrund der für eine Haftung erforderliche Verkehrssicherungspflichten in Form von Kontrollpflichten begründet werden. Selbst wenn man eine solche Pflicht annehmen würde, spräche die Autarkie des Systems, die eine zur Kontrolle erforderliche Kenntnis- und Einflussnahme voraussetzt, dagegen. So genügen derzeit abstrakte Warnhinweise zu Beginn des Installationsvorgang den Anforderungen, die an Entwickler solcher Technologien gestellt werden.

Auch die Vorfilterfunktion des Teledienstgesetztes TDG bietet keine adäquate Lösung, da Hersteller von P2P Software sich nur der von Dritten bereitgestellten Telekommunikationsinfrastruktur bedienen und somit keine Anbieter nicht-redaktioneller Individualkommunikationsdienste sind, auf die das TDG anwendbar ist.

Hinsichtlich der Haftung des Nutzers von Internettauschbörsen bleibt zu ergänzen, dass mögliche Vervielfältigungshandlungen im privaten Bereich durch §53 I UrhG privilegiert werden und somit keine Haftung begründen. Lediglich das öffentliche Zugänglichmachen zuvor legal auf die Festplatte kopierter urheberrechtsrelevanter Dateien ist aufgrund der Öffentlichkeit der Handlung nach §53 VI UrhG rechtswidrig und führt damit zur Haftung gem. §97 UrhG gegenüber dem Urheber.


*   Die Verfasserin studierte Rechtswissenschaften an der Universität Trier und der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Wahlstation verbrachte sie 2005 in der Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP in Washington DC. Ihre Interessenschwerpunkte liegen im gewerblichen Rechtsschutz sowie im allgemeinen Zivilrecht. Sie dankt Herrn Rechtsanwalt Clemens Kochinke, MCL, Attorney at Law, für die Anregungen und hilfreiche Üterstützung beim Verfassen dieses Darstellung.


Zitierweise / Cite as: Hild, Das Grokster-Urteil vom 27. Juni 2005, 15 German American Law Journal (7. Juli 2006), http://www.amrecht.com/groksterhild2006.shtml


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